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Fleischlos - warum ich meinen Hund inzwischen teuf-vegan ernähre
Zu Beginn meiner Recherche war ich überzeugt davon, es kann nicht gesund sein einen Hund fleischlos zu ernähren – Das ist heute anders.
1,13 Millionen Menschen leben in Deutschland vegan (Stand 2020) (1).
Der ein oder andere Veganer lugt inzwischen auch über den eigenen Tellerrand hinaus auf den Futternapf des Haustieres.
WARUM DIE IDEE ERSTMAL GUT KLINGT
Die größten Landsäugetiere der Erde leben veggy.
Raubtiere sind dagegen eher die Nachtspeicheröfen unter den Tieren – richtige Energiefresser.
Wieso also darauf warten, dass die Antilope ihr Savannengras vertilgt, um sie schließlich unter hohem Energieverbrauch zu jagen? Warum nicht direkt selbst am Grashalm nagen?
Und auch ökologisch ist es sinnvoll.
Die Landwirtschaft ist in Deutschland ein wichtiger Sektor. Das Weideland ist hier nur ein Aspekt.
Für Futtermittel wandert weltweit etwa 36 % des Getreides und 70 % der Sojaproduktion in die Fleischproduktion (2).
Ökologisch und ethisch gesehen ist Fleischverzicht also wenig diskutabel. Aber wie sieht es mit der Gesundheit? Ist es vertretbar die eigene Ideologie auf das Haustier zu übertragen?
DIE EVOLUTION DES HUNDEMAGENS
Der Hundekörper ist evolutionär zunächst tatsächlich auf das Jagen, Verdauen und Fressen von tierischem
Gewebe geprägt.
Der Hund wie wir ihn heute kennen, wurde vor nunmehr über 33.000 Jahren domestiziert (10). Der Hund von damals bekam alles zu fressen was eben gerade entbehrlich war. In den seltensten Fällen war das wohl gutes Muskelfleisch.
Im Vergleich zu seinem Vorfahr, dem Wolf, hat der Haushund daher die Fähigkeit erworben Kohlenhydrate zu verwerten und mit weniger Proteinen auszukommen (11).
Dieser Vorgang beinhaltet auch biochemische Adaptionen wie z.B eine erhöhte Genexpression von Amylase des Pankreas, um Maltose in Glucose umzuwandeln, um nur ein Beispiel zu nennen (12).
Hunde werden nach aktuellem Kenntisstand eher zu den Carni-Omnivoren, den Fleisch-Allesfressern gezählt.
STUDIEN ZUR FLEISCHLOSEN ERNÄHRUNG
Studien zeigen: Hunde sind ohne Fleisch lebensfähig. Mehr noch bescheinigen einige sogar eine Verbesserung wie:
- sinkendes Übergewicht
- eine verminderte Anzahl an Parasiten
- reduzierte Lebensmittelunverträglichkeit usw. (13-15)
Das wurde untersucht:
Studie 1
In einer Studie von 2014 wurden 20 Hunde untersucht, die durchschnitt 2,8 Jahren vegan ernährt wurden.
Das Ergebnis:
- es wurde kein Unterschied zwischen Verganer und Kontrollgruppe gefunden
- Eisen-Werte waren normal
- kein Vitamin B12 Mangel (16)
Studie 2
Eine weitere Arbeit von 2019 aus Litauen bestätigte diese Befunde. Es wurden insgesamt 20 Hunde untersucht, die im Durchschnitt 2,15 Jahre vegan ernährt wurden. Die Blutwerte wurden vor und nach Ablauf der Zeit und mit einer Kontrollkohorte gleicher Größe verglichen.
- Unter den Fleischfressern zeigten 11 Hunde Nährstoffdefizite (Folsäuren, Vitamin B12, Calcium oder Eisen)
- Unter den Veganern hatten 2 Hunde eduzierte Folsäure-Werte (18)
Studie 3
Und Langzeitstudien? Im Jahr 1994 veröffentlichte People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) einen Bericht, in dem 28 vegetarisch/vegan lebende Hunde bis ins hohe Alter begleitetet wurden. Allen Hunden wurde eine altersentsprechende Gesundheit bescheinigt (17).
IST EINE FLEISCHLOSE ERNÄHRUNG GESÜNDER?
Nennen wir ihn Achim. Achim ist ein Stubenhocker. Er zockt 20 h am Tag GTA und er stopft dabei Unmengen an Fastfood in sich hinein. Achim sieht selten das Tageslicht.
Achim sitzt dabei aber immer brav auf seinem Sport-Rad und tritt in die Pedale beim Zocken. – Lebt Achim nun gesund?
Wohl eher nicht. Ein Ton macht noch keine Symphonie.
Vegetarisch und vegan lebende Menschen setzten sich tendenziell mehr mit ihrer Ernährung auseinander, rauchen seltener, trinken weniger Alkohol und treiben mehr Sport. Diesen Lebensstil übertragen sie oft auch auf ihr Tier.
Ist also nicht allein die Ernährung Grund für den guten Gesundheitszustand der Hunde? Denkbar.
Gerade zu veganer Ernährung beim Hund ist die Datenlage lückenhaft. Die Professorin Ellen Kienzle, Lehrstuhlinhaberin für Tierernährung und Diätetik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, rät daher eher zu vegetarischer Ernährung (19).
WAS FÜR EINE FLEISCHLOSE ERNÄHRUNG SPRICHT
Alle bisher publizierten Studien zeigen eines:
richtig abgestimmte fleischlose Ernärhung scheint Hunden nicht zu schaden.
Im Gegenteil. Es gibt Hinweise darauf, dass zumindest eine Zeitweise vegane Ernährung Nährstoffdefizite sogar ausgleichen kann (18).
Ein Blick in die Humanmedizin zeigt uns, zu viel Fleisch schadet dem Körper. Zu viel Fleisch erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfälle, Typ2 Diabetes und so gut wie alle Arten von Krebs (4-7).
Anders als viele immer noch glauben, hat sich auch der Hundekörper im Laufe der Entwicklung auf die Verwertung von Kohlehydrate eingestellt.
Ein Blick au frei lebende Hunde zeigt, dass eine 100%ig fleischhaltige Ernährung alles andere als „natürlich“ zu sein scheint.
Eine Analyse der Nahrung von frei lebenden Hunden ergab einen tierischen Anteil von 24% bis 53%. Hunde greifen demnach höchst selbst zu Obst und Gemüse (20).
DARUM ERNÄHRE ICH MEINEN HUND TEIL-VEGAN
Ich lebe selbst seit 11 Jahren vegetarisch. Meine eigenen Ideale auch auf meinen Hund zu übertragen, kam mir dabei nie in den Sinn.
Die Recherche zeigte mir aber, dass
- eine 100% fleischhaltige Ernährung gar nicht „natürlich“ ist
- eine richtig abgestimmte fleischlose Ernährung möglich ist
- vieles für eine (Teil)-vegane/vegetarische Ernährung spricht
Menschen wissen inzwischen, dass zu viel Fleischkonsum für sie gesundheitsschädlich ist, Entzündungen auslöst und damit das Risiko für Krebserkrankungen erhöht. Die einen nehmen es in Kauf, die anderen reduzieren sich und ändern ihre Gewohnheiten.
Fleischlose Ernährung erfuhr in den letzten Jahren, auch aus ethischen und ökologischen Gründen, einen wahren Aufwärtstrend.
Für eine komplette Umstellung auf vegetarische Ernährung ist mir persönlich die Datenlage noch zu dünn. Darum habe ich mich für eine Teil-vegane Ernährungsform entscheiden. Für die Umwelt. Und für die Gesundheit meines Tieres.
Jessica Welss
Quellen
(1) www.Statista.com
(3) Fox N, Ward K. Health, ethics and environment: A qualitative study of vegetarian motivations. Appetite. 2008;50(2–3):422–429. pmid:17980457
(4) Kersche-Risch P. Vegan diet: motives, approach and duration. Ernahrungs Umschau. 2015;62(6):98–103.
(5) de Boer J, Aiking H. On the merits of plant-based proteins for global food security: Marrying macro and micro perspectives. Ecological Economics. 2011;71:1259–1265.
(6) .Bella F, Justyna G, Ippolito A, Di Prima A, Sciacca S. Differences in the association between empirically derived dietary patterns and cancer: a meta-analysis. International Journal of Food Sciences and Nutrition. 2017;68(4):402–410. pmid:27894200
(7) World Health Organization. 2015 [cited 12 Dec 2017]. http://www.who.int/.
(8) Brown, W. Y. „Nutritional and ethical issues regarding vegetarianism in the domestic dog.“ Recent Adv. Anim. Nutr. Aust 17 (2009): 137-143.
(9) Brown, R. (1989). Protein in dog foods. Canine Veterinary Journal 30, 528–531.
(10) Ovodov, N.D.; Crockford, S.J.; Kuzmin, Y.V.; Higham, T.F.; Hodgins, G.W.; van der Plicht, J. A 33,000-year-old
incipient dog from the Altai mountains of Siberia: Evidence of the earliest domestication disrupted by the
last glacial maximum. PLoS ONE 2011, 6, e22821. [CrossRef] [PubMed]
(11) Buff, P.R.; Carter, R.A.; Bauer, J.E.; Kersey, J.N. Natural pet food: A review of natural diets and their impact
on canine and feline physiology. J. Anim. Sci. 2014, 92, 3781–3791. [CrossRef] [PubMed]
(12) Axelsson, E.; Ratnakumar, A.; Arendt, M.L.; Maqbool, K.; Webster, M.T.; Perloski, M.; Liberg, O.;
Arnemo, J.M.; Hedhammar, A.; Lindblad-Toh, K. The genomic signature of dog domestication reveals
adaptation to a starch-rich diet. Nature 2013, 495, 360–364. [CrossRef] [PubMed]
(13) Oelbaum, J. My Cat, the Vegan. Available online: http://www.webcitation.org/6ine9k5VK (accessed on
7 June 2016).
(14) Gentle World. Good Nutrition for Healthy Vegan Dogs. Available online: http://www.webcitation.org/
6ineIZmNQ (accessed on 7 June 2016).
(15) Peden, J. Vegetarian Cats & Dogs, 3rd ed.; Harbingers of a New Age: Troy, MT, USA, 1999.
(16) Semp, P.-G. Vegan Nutrition of Dogs and Cats. Master’s Thesis, Veterinary University of Vienna, Vienna,
Austria, 2014.
(17) People for the Ethical Treatement of Animals (PETA). Dog Health Survey. Available online: http://www.
helpinganimals.com/h-vegcat-survey.html (accessed on 8 December 2014).
(18) Kiemer, Lukas Andreas. „Vegan diet and its effects on the dog´ s health.“ (2020).
(19) https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/hundefutter-fleisch-allergie-vegan-1.4737625
(20) Butler, J. R. A., and J. T. Du Toit. „Diet of free-ranging domestic dogs (Canis familiaris) in rural Zimbabwe: implications for wild scavengers on the periphery of wildlife reserves.“ Animal Conservation Forum. Vol. 5. No. 1. Cambridge University Press, 2002.